Science of Strength
… bietet vereinfachte Zusammenfassungen aktueller sportwissenschaftlicher Forschung zu Krafttraining, Muskelaufbau und Leistungssteigerung um neue Ansätze verständlich zu machen. So bleibst du „up to date“ und kannst fortschrittliche Erkenntnisse ins Training integrieren.
sportart-spezifische Hypertrophie
... zur Verbesserung sequentieller Kraft- und Leistungsfähigkeit!
Sportart-Spezifische Hypertrophie
Emphasizing Tast-Specific Hypertrophy to Enhance Sequential Strength and Power Performance
Travis et al., 2020
zum Originalartikel
Key Facts
- Optimale Hypertrophie > maximale Hypertrophie
- faserspezifische Hypertrophie - abzielen auf Shift Richtung Typ II
- mehr Muskelmasse führt zu höherem Kraftpotential
- High-Load-Low-Rep Training (>80% 1RM bei ca. 5reps/set)
- kein Muskelversagen erzeugt gleichen Hypertrophiereiz
- sportartspezifische Übungsauswahl in Bezug auf (Muskelarbeitsweise, ROM, Winkelstellungen, Bewegungs- und Kontraktionsgeschwindigkeit)
Background:
In vielen Sportarten ist eine hohe Kraftentwicklung und der aufgaben-spezifische Poweroutput entscheidend. Als Grundlage im Leistungaufbau des Kraftbereichs wird großteils Hypertrophie trainiert, was zu strukturellen und ultrastrukturellen Anpassungen führt. (strukturelle Anpassungen = Größe des Muskels – ohne Mikroskop erkennbar
ultrastrukturelle Anpassungen = Anpassungen auf molekularer Ebene – nur unter dem Mikroskop erkennbar) Hypertrophie wird oftmals rein mit der Vergrößerung des Muskelquerschnitts gleichgesetzt, obwohl neue Erkenntnisse viel tiefgreifendere Veränderungen bestätigen. Ebenso wurde in der Vergangenheit eher von zwei unterschiedlichen Phänomenen in Bezug auf Muskelhypertrophie und der Entwicklung der maximalen Kraft gesprochen, wobei auch hier vieles in die Richtung deutet, dass beide Prozesse durchaus stark miteinander verbunden sind. Trotzdem spricht natürlich weiterhin nichts dagegen sich in gewissen Trainingsphasen auf einen der Bereiche zu fokussieren. In Bezug auf kraft- und schnelligkeitsorientierte Sportarten macht es aufgrund der sportartspezifischen Anforderungen aber vor allem Sinn, Typ II Muskelfasern (schnellzuckende Muskelfasern) gezielt zu reizen.
Hypertrophie Mechanismen:
Die bestehende Literatur sieht drei unterschiedliche Wege für die Auslösung von Muskelhypertrophie vor. [1] Muskelzerstörung, metabolischer Stress und mechanische Spannung tragen auf unterschiedliche Weise zur Hypertrophie bei. Mechanische Spannung steht in unmittelbarer Verbindung mit einer gesteigerten Proteinsynthese, wobei auch Muskelzerstörung unmittelbar von mechanischer Spannung abhängt. Im Reparaturprozess der Muskulatur werden so synergistische Effekte für das Muskelwachstum erzielt. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass entsprechende Reize über einen längeren Zeitraum wiederholt werden müssen, um bei Einhaltung entsprechender Regenerationszeiten, die anabole Reaktionen auslösen (mTor – pathway) und dadurch die Proteinsynthese in den trainierten Regionen erhöht wird. Hier ist auch zu erwähnen, dass die Anzahl der Sarkomere (=kleinste kontraktile Einheit des Muskels) nicht unveränderlich ist und sich bei entsprechenden Trainingreizen anpassen kann. Speziell für kraft- und schnellkraftorientierte Sportarten ist die Sarkogenese als positive Anpassung zu sehen.
Was den Trainingsreiz betrifft, sollte hier ebenfalls in Betracht gezogen werden, dass High-Load-Low-Rep Training, die Hypertrophie der Typ II Fasern fördern kann. [2] Dagegen unterstützt Low-Load-High-Rep Training (Bodybuilding Style) eher die Hypertrophie der Typ I (langsamzuckenden) Fasern. Die Änderung von Fasertypen ist nach wie vor nicht ganz eindeutig, wobei vieles darauf hindeutet, dass sich zumindest die Hybrid Fasern, durch entsprechendes Training in eine der Richtungen anpassen können. [3] Myostatin (ein Protein, dass unkontrolliertes Muskelwachstum limitiert) spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle, da die Myostatin Freisetzung durch Training kurzfristig reduziert wird und so Muskel-Hypertrophie ermöglicht.
Strukturelle Muskel – Hypertrophie:
Unterschiede in den Kraftfähigkeiten von Trainierten und Untrainierten Menschen kann meist schon mit Unterschieden in der Muskelmasse erklärt werden. Die Größe der Muskel per se wird oft durch Muskelquerschnitt (mCSA = muscle cross sectional area) und Muskeldicke (MT = muscle thickness) bestimmt aber auch durch strukturelle Komponenten wie (Fiederungswinkel und Fasikellänge).[4] Ein höherer Fiederungswinkel (Winkel der Fasikel in Beuzg zur Wirkung der Kraft), der oft als Marker für die Qualität des Muskels herangezogen wird, lässt sich auf die Erhöhung der parallel geschaltenen Sarkomere (Muskeldichte) zurückführen, wobei es hier theoretisch auch ein physiologisches Limit gibt. (30°)
Die Messung der Fasikellänge ist ein direkter Indikator für die Anzahl an in Serie gereihten Sarkomeren. Interessanterweise besteht hier eine negative Korrelation zwischen der Erhöhung parallel geschaltener Sarkomere und den in Serie geschaltenen Sarkomeren.[4] Demzufolge gibt es auch hier ein Optimum, speziell für Kraft- und Schnellkraft Sportarten um maximale Kraft bei möglichst schneller Kontraktionsgeschwindigkeit zu garantieren. Es existiert aber sehr wohl eine Korrelation zwischen Muskelmasse und dem möglichen Poweroutput.
Myoplastizität und Fasertyp Veränderungen:
Myoplastizität beschreibt die Fähigkeit des Muskels sich aufgrund von Reizen an diese anzupassen. Die Fasertypverteilung jedes Menschen ist großteils genetisch veranlagt, kann aber in gewissem Maße durch Trainingsreize verändert werden bzw. ein Fasertyp gezielt angesprochen werden, was wiederum das Verhältnis verändern kann. Allgemein wird aber eine hohe Konzentration an Typ II Fasern mit einer hohen athletischen Performance in Verbindung gebracht. Über die Intensität in % des 1RM (1 repetition maximum) können Trainingsreize für bestimmte Fasertypen gezielter gesteuert werden . Für die Adressierung von Typ II Fasern befindet man sich hier im hohen Intensitätsbereich (>85% des 1 RM) und im niedrigen Wiederholungsbereich (< 5 reps).[5] Dieser Prozess wird auch mit der Aktivierung größerer motorischer Einheiten (Typ II) zur Bewältigung hoher Lasten in Verbindung gebracht. [6] Allgemein kann die Intensitätsgrenze von ca. 60% des 1 RM als Mindestreiz für die Auslösung von Hypertrophie angesehen werden. Der Leitsatz „form follows function“ trifft in diesem Zusammenhang ebenso zu, da Kraft- und Schnellkraft Sportler aufgrund ihrer Trainings- und Wettkampfanforderungen auch die demenstsprechenden muskulären Anpassungen entwickeln. Weiters lässt sich fast logisch folgern, dass höhere Krafterzeugung von mehr Muskelmasse dazu führt, dass Athleten diese Kraft besser in den Anforderungen ihrer Sportart umsetzen können.
Sarkoplasmatische & Myofibrillare Hypertrophie:
Die Konzepte von sarkoplasmatischer Hypertrophie (Vergrößerung/Vermehrung der nicht-kontraktilen Elemente) wird oftmals mit high-volume Training in Verbindung gebracht, wohingegen die myofibrillare Hypertrophie (Vergrößerung/Vermehrung der Myofibrillen durch mehr Sarkomere/höherer Dichte) mit high-intesity-low volume Training assoziiert wird. Nun kann wohl schon erahnt werden, dass die myofibrillare Hypertrohpie für Kraft- und Schnellkraftsportarten deutlich sinnvoller erscheint. Neuere Untersuchungen deuten aber auch an, dass sarkoplasmatische Hypertrophie auch ein Vorbote für myofribrillare Hypertrophie sein kann, die Platz für mehr Sarkomere im interzellulären Raum schafft, vor allem da die Entwicklung auf myofibrillärer Ebene länger dauert. [7] Training bis zum Muskelversagen wird in diesem Zusammenhang ebenfalls oft erwähnt und wurde in der Vergangenheit als unerlässlich angesehen, um starke Hypertrophiereize auszulösen. Mittlerweile haben zahlreiche Studien gezeigt, dass auch Training ohne Muskelversagen (Einsatz von RIR – Reps in Reserve – Wiederholungen, die noch möglich gewesen wären bis zum Muskelversagen) nahezu gleiche Hypertrophie Effekte auslöst. [8] Gleichzeitig kann aber die Auslastung und Ermüdung geringer gehalten werden, mit höheren Lasten gearbeitet werden und so wiederum verstärkt Typ II Fasern gereizt werden.
Selektiv regionale Hypertrophie:
Unabhängig davon ob es zu 100% möglich ist, dass bestimmte Teile eines Muskels trainiert werden können, gibt es bei verschiedenen sportspezifischen Aufgaben unterschiedliche Anforderungen an einzelne Muskeln. Diese regionale Entwicklung sollte vielmehr bei der Übungsauswahl im Training in Betracht gezogen werden. (Bsp.: Quad eines Sprinters: der Sprinter wird weniger von einer distalen Hypertrophie nahe des Knies profitieren als von proximaler Hypertrophie im Bereich der Hüftmuskulatur) Zudem sollte in diesem Bezug auch die Kontraktionsgeschwindigkeit im Zusammenhang mit der Sportart beachtet werden, die wie zuvor beschrieben durch eine Veränderung im Fiederungswinkel auch negtiv beeinflusst werden kann. All diese Faktoren (Übungsauswahl, Bewegungsgeschwindigkeit, Arbeitsform des Muskels…) sollten bei der Planung berücksichtigt werden. Studien zeigten auch, dass rein konzentrische Muskelarbeit, eher Hypertrophie im mid-muscle Bereich fördert (mehr parallele Sarkomere) und exzentrische Muskelarbeit mehr zu distaler Hypertrophie beiträgt (mehr Sarkomere in Serie).[9] Letzlich spielt auch der ROM (Range of Motion) eine Rolle, da ein größerer ROM, insgesamt mehr Anteile eines Muskels miteinbezieht und dadurch zu einem größeren Reiz führt, weshalb Athleten auch im Krafttraining in ihrem sportarspezifischen ROM trainieren sollten.
Optimierung aufgabenspezifischer Hypertrophie:
Wie schon mehrmals angeführt ist für viele Athleten nicht maximale sondern die optimale Hypertrophie zielführend, weshalb nach einer umfassenden allgemeinen Grundausbildung der Fokus auf die relevante Muskulatur der Sportart gelegt werden sollte. Auch die leistungsdeterminierenden Fasertypen sollten über entsprechendes Training adressiert werden und die Athleten in relevanten Muskellängen- und Winkelverhältnissen trainieren.
Resümee:
Muskelgewebe ist ein dynamisches Gewebe, dass sich sehr gut an Reize und Anforderungen anpassen kann. Optimale Hypertrophie sollte speziell in kraft- und schnellkraftorientierten Sportarten im Vordergrund stehen. Dies kann durch die Vermehrung von parallel oder in Serie geschaltenen Sarkomeren passieren, je nach sportartspezifischen Anforderungen. Ebenso kann durch Training Einfluss auf das Verhältnis von Typ I/II Fasern genommen werden. Verbesserung der Aktivierung größerer motorischer Einheiten und der Ansteuerung von Typ II Fasern sowie regionale Anpassungen eines Muskels in Bezug an die gestellten sportspezifischen Anforderungen sind weitere Maßnahmen. All diese Mechanismen können mit High-Load-Low-Rep Training (80-95% 1RM & ca. 5reps) am besten umgesetzt werden. Full ROM sollte eine Priorität sein um Abbauprozesse in ungenutzten ROM-Bereichen zu vermeiden und bestmögliche Hypertrophiereize zu schaffen. Hauptziel für Kraft- und Schnellkraftsportler sollte die Entwicklung der Typ II Fasern und die verbesserte Ansteuerung ihrer motorischen Einheiten sein.
Quellen - Literaturhinweise
- 1.) The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training
- 2.) Are the Hypertrophic Adaptations to High and Low-Load Resistance Training Muscle Fiber Type Specific?
- 3.) Reduction in hybrid single muscle fiber proportions with resistance training in humans
- 4.) Use it or lose it: multiscale skeletal muscle adaptation to mechanical stimuli
- 5.) Comparing thigh muscle cross-sectional area and squat strength among national class Olympic weightlifters, power lifters, and bodybuilders
- 6.) The Role of Fiber Types in Muscle Hypertrophy Implications for Loading Strategies
- 7.) Sarcoplasmic Hypertrophy in Skeletal Muscle: A Scientific “Unicorn” or Resistance Training Adaptation?
- 8.) Skeletal Muscle Fiber Adaptations Following Resistance Training Using Repetition Maximums or Relative Intensity
- 9.) Architectural Changes of the Biceps Femoris Long Head after Concentric or Eccentric Training